Autohäuser: Götterdämmerung im Kfz-Handel

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Schadenabwicklung Beschleunigung

Wenn eine Branche sich konjunkturellen Problemen gegenübersieht, gibt es in der Regel eine klar auszumachende Ursache dafür. Sie geht auf bestimmte wirtschaftliche, gesellschaftliche oder soziale Prozesse zurück, die den Problemdruck ausgelöst haben. Autohäuser in Deutschland befinden sich in einer besonderen Situation: Sie werden von mehreren Seiten gleichzeitig angegriffen und sehen sich der außerordentlichen Herausforderung gegenüber, mehrere Lösungsstrategien gleichzeitig entwickeln zu müssen – Lösungsstrategien, die sich teilweise widersprechen oder gegenseitig aufheben. Dass diese Quadratur des Kreises noch nicht gelungen ist, belegen die steigenden Insolvenzzahlen im Automobilhandel. Ein Situationsbericht.

Ein grundsätzlicher Wechsel der Basisparameter

Es gibt Dinge, ohne die man sich die Welt nicht vorstellen kann – bis sie plötzlich nicht mehr da sind. Ein Beispiel ist der Blackberry – der früher unentbehrliche digitale Assistent auf allen Wegen. Heute fristet er nur noch ein bescheidenes Dasein als Nischenprodukt am Spielfeldrand einer Kommunikationswelt, die von Smartphones beherrscht wird. Autohäusern könnte eine ähnliche Zukunft bevorstehen, wenn sie keine Wege finden, die negativen Einflussfaktoren in positive Impulse umzuwandeln.

Wenn einer der hundert größten Kfz-Vertragshändler mit über 300 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 150 Millionen Euro Insolvenz anmelden muss – wie im Herbst 2018 geschehen – ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass die Parameter der Branche nicht mehr stimmen. Wäre das nur ein Einzelfall, könnte man auf Managementfehler oder auf regional bedingte gesellschaftliche Umschichtungen schließen. Doch der Fall ist nur einer unter vielen.

Laut Erhebungen des Insolvenzdienstleisters STP-Portal in Karlsruhe wurden alleine in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 insgesamt 1.943 Verfahren in den Kfz-Branchensegmenten Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen eröffnet. Dass es im Vorjahreszeitraum 1.890 Verfahren waren, sendet gleich zwei negative Botschaften aus. Zum einen: Die Zahlen steigen. Zum anderen: Der Trend hält offenbar bereits seit geraumer Zeit an. Ein derartiger Wertewandel in einer früheren Vorzeigebranche deutscher Wirtschaftskraft weist deutlich darauf hin, dass relevante Gegenkräfte am Werk sind.

Online-Handel – auch bei Autos ein Problem

Zunehmend erfolgen Autokäufe über das Internet. Was früher undenkbar erschien, setzt sich nach und nach als gängige Praxis durch. Ohne den persönlichen Augenschein, das probeweise Hineinsetzen, das ausführliche Beratungsgespräch und schließlich die Probefahrt schien über Jahrzehnte hinweg kein ernsthaftes Vertriebsmodell für Kraftfahrzeuge denkbar.

Heute setzt sich die Online-Bestellung mehr und mehr durch, denn dem Käufer erwachsen daraus einige nicht zu unterschätzende Vorteile. Zum einen ist er nicht an die lokalen Händler vor Ort gebunden, sondern kann sich deutschlandweit das günstigsten Angebot heraussuchen – teilweise sogar im benachbarten Ausland. Zum anderen kann der national aktive Kunde auf aktuelle Preisaktionen sofort reagieren. Damit kommen vor allem Händler zum Zug, die nicht auf den Unterhalt kostspieliger Verkaufsräume angewiesen sind und ihre Fahrzeuge teilweise über ausgefuchste Reimport-Konzepte beziehen.

Selbst bei den Reparatur– und Wartungsdienstleistungen spielt der Onlinehandel mittlerweile eine Rolle. Zunehmend lassen sich Wartungsarbeiten in der Werkstatt durch heruntergeladene Software-Updates zumindest teilweise ersetzen.

Hersteller – vom Partner zum Konkurrenten

Zunehmend entwickeln Automobilhersteller neue Vertriebsstrategien, die den Interessen der Autohäuser direkt zuwiderlaufen. Händler, die jahrzehntelang die Fahne “ihres” Produzenten hochgehalten haben, sehen sich plötzlich mit existenzbedrohenden Umstrukturierungen konfrontiert.

Aus Bündnispartnern werden immer häufiger erbitterte Gegner. Dass der Haussegen schief hängt, belegte BMW bereits 2013 mit seiner Hinwendung zum verstärkten Onlinehandel, ohne Rücksicht auf Verluste seiner Handelspartner. Zwar konnte der Bruch im letzten Augenblick durch einen Kompromiss aufgehalten werden. Wie nachhaltig die gefundene Lösung allerdings ist, muss die Zukunft zeigen.

Andere Marken gehen nicht minder rigoros vor. Opel und VW haben ihren Vertragshändlern vor einiger Zeit im Rahmen Ihrer Vertriebs-Restrukturierung flächendeckend die Verträge gekündigt. Übrig bleiben sollen nur einige wenige, ausgewählte Vertriebspartner. Oder wie es ein Autohausbetreiber treffend ausdrückte: Ein Kahlschlag mit Methode.

Carsharing – Zukunftsmodell mit Problempotential

Was die einen als zukunftsweisendes Modell moderner Mobilität im Zeichen von Klimaveränderung und überfüllten Innenstädten sehen, ist für die Autohäuser eine ernsthafte, existenzielle Bedrohung. Jeder Autofahrer, der sein persönliches Mobilitätskonzept auf gemischte Transportsysteme ohne eigenen Fahrzeugbesitz umstellt, ist für die Autohäuser ein verlorener Kunde – und das meist auf Dauer.

Carsharing ist ein Indiz dafür, dass sich grundlegende Werte bei der Mobilität ändern – ähnlich wie der Wechsel vom Festnetztelefon zum Mobiltelefon. Noch ist für Autohäuser kein wirklich tragfähiges Konzept in Sicht, mit diesem Wertewandel effektiv umzugehen. Hier ist intensive konzeptionelle und kreative Grundlagenarbeit gefragt.

Zukunftsperspektiven: Neue Konzepte und Bestehendes optimieren

Wie bei allen Branchen mit strukturellen Problemen werden auch Autohäuser in der Zukunft neue Konzepte und Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um sich weiterhin am Markt zu behaupten. Eine weitere Möglichkeit ist, in Kundenservice und optimierte Prozessabläufe zu investieren.

Gerade die Schadensabwicklung bietet erhebliches Potential für die nachhaltige Konsolidierung. Ein verbreiteter Verbraucherwunsch ist die zügige Abwicklung aller mit der Schadensregulierung und der Reparatur zusammenhängenden Prozessschritte. Hier bieten sich kooperative Modelle für Autohäuser und Rechtsanwälte an, die über automatische Prozesse beschleunigte Verfahren ermöglichen. Das Ergebnis ist die zweckorientierte Arbeitsteilung: Während die Rechtsanwälte sich mit der Fallabwicklung beschäftigen, konzentrieren sich die Autohäuser auf die Reparaturarbeiten. Ergebnis: schnellere Abwicklung und im Ergebnis zufriedenere Kunden, beziehungsweise Mandanten. Fortschrittliche Systeme wie beispielsweise WebAkte Autohaus Edition von e.Consult liefern dafür maßgeschneiderte Lösungen.

Fazit

Autohäuser sehen sich heute einer Reihe schwerwiegender Problemlagen ausgesetzt, die auf sie einwirken. Der zunehmende Onlinehandel bei Automobilen schädigt die finanzielle Grundlage ortsansässiger Häuser. Ebenso destabilisieren sich wandelnde Vertriebskonzepte der Hersteller die wirtschaftliche Basis der Autohändler. Und schließlich bedeutet der allgemeine Wertewandel bei den privaten Mobilitätskonzepten eine ernsthafte Gefährdung der Existenzgrundlage von Fachbetrieben für den Autohandel. Hier sind neue geschäftliche Konzepte gefragt, um den Herausforderungen der Zukunft wirksame Strategien entgegenzusetzen. Ein weiterer Weg ist die Optimierung bestehender Säulen wie Kundenservice und Kooperationen.

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